Positionspapier zur Landwirtschaft

Antrag der Ökologischen Plattform vom Landesausschuss am 12.6.21 beschlossen.

Durch die Proteste der Landwirte und das Volksbegehren „Artenvielfalt“ wurde deutlich, dass es innerhalb der Partei verschiedene Positionen zur Landwirtschaft gibt, die meisten Mitglieder aber in dieser Frage orientierungslos sind. Im Wahlkampf wird die Agrarfrage zumindest im Nordwesten von Niedersachsen eine relativ große Bedeutung haben.

 

Die Bauern rufen nach dem Staat

Die neu entstandene Bewegung „Land schafft Verbindung“ steht ebenso in Opposition zum Landvolk wie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Sie kämpfen für höhere Erzeuger*innenpreise u.a. durch Blockaden von Aldi-, Lidl-, REWE- und Edeka-Lagern. Die Großmolkereien und der Lebensmitteleinzelhandel, das Oligopol Aldi u. Co., verweisen dagegen auf die Preisbildung durch Angebot und Nachfrage in der Marktwirtschaft. Hier findet ein Klassenkampf zwischen dem Großkapital und dem bäuerlichen Kleinkapital statt. Die Bauern rufen nach dem Staat. Wollen die Bauern die Marktwirtschaft außer Kraft setzen und ein staatliches Preisdiktat durchsetzen, um ihr Einkommen zu sichern?

 

Landwirtschaft contra Naturschutz

Wenn es um den Naturschutz geht, dann haben die konventionellen Bauern die Einmischung des Staates bisher abgelehnt. Sie wollen weiterhin Chemie (Kunstdünger und Pestizide) auf den Acker bringen, um den Ertrag so hoch wie möglich zu halten. Dadurch wird aber das ökologische Gleichgewicht gestört, die Artenvielfalt geht zurück. Immer mehr Tier- und Pflanzenarten gelten als gefährdet, wie z.B. Feldhamster, Rebhuhn oder Wolf sowie verschiedene Ackerkräuter (z.B. Habichtskraut- oder Löwenzahnarten).

Die ökologischen Probleme der konventionellen Landwirtschaft sind vielfältig. Die Landwirtschaft trägt mit ca. 10 % zur Klimaerwärmung bei, insbesondere durch Lachgas (Stickstoffdünger) und Methan (Viehhaltung). Durch Überdüngung werden das Grundwasser und die Gewässer mit Nitrat und Phosphat belastet. In immer mehr Gebieten ist die Trinkwasserqualität gefährdet. Die EU hat deswegen gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Durch den Einsatz von Pestiziden sterben immer mehr Arten aus. Das Bienen- und Insektensterben ist ein Beweis dafür.[1]

Die Massentierhaltung in den Agrarfabriken bedeutet Tierquälerei. Nur dadurch kann billig Fleisch und Milch erzeugt werden. Massentierhaltung bedingt industrielle Schlachtfabriken mit völlig unzureichenden hygienischen Bedingungen für die Belegschaft sowie Tiertransporte über hunderte von Kilometern. DIE LINKE lehnt industrielle Schlachthöfe sowie die langen Tiertransporte ab und plädiert stattdessen für eine Weideschlachtung. Die Futtermittelimporte, insbesondere Soja aus Südamerika, das oft auf brandgerodetem Regenwaldboden angebaut wird, führen dort zu ökologischen und sozialen Problemen.

Subventionierte Lebensmittel-Exporte zerstören die bäuerliche Landwirtschaft besonders in Afrika.

Der zunehmende Maisanbau der Agrarlandschaft für die Biogasanlagen führt zu Bodenerosion und Humusabbau.

 

Was tun?

Um die Natur und die Artenvielfalt zu schützen muss die konventionelle, auf Chemie basierende Landwirtschaft auf eine ökologische Landwirtschaft umgestellt werden. Eine nachhaltige Landwirtschaft ist nicht nur existenziell für die Natur, sondern auch für das Überleben der Menschen auf der Erde. Die Landwirtschaft muss die Menschen auf regionaler Ebene ernähren. Der Weltmarkt zerstört die Grundlagen der nachhaltigen Lebensmittelproduktion. Futtermittelimporte und Exportsubventionen müssen verboten werden. Die Futtermittel dürfen nur aus regionalem Anbau stammen. Die Tierproduktion muss durch die Flächenbindung der Anzahl der Tiere je Landwirtschaftsbetrieb dezentralisiert werden.

Eine sozial-ökologische Agrarwende benötigt auch eine sozial-ökologische Produktionsweise. Kapitalistisches Eigentum sowie Marktwirtschaft widersprechen einer ökologischen und einer sozialen Landwirtschaft. Das Eigentum an Grund und Boden muss gesellschaftlich sein, d.h. staatlich, kommunal oder genossenschaftlich. Damit darf nicht spekuliert werden. Als Linke sollten wir nicht vorrangig auf die sogenannte „bäuerliche“[2] Landwirtschaft setzen, sondern vor allem auf Genossenschaften und Kooperativen.

 

Wir haben es satt

Die EU-Agrarpolitik darf nicht mehr die Fläche, sondern muss die Form der Bereitschaft auch in Hinblick auf die Leistung für die Gesellschaft subventionieren. Billige Lebensmittel, die durch die Marktmacht der Oligopole und die Agrarindustrie entstehen, sind weder sozial noch ökologisch. Die Landwirte müssen einen fairen Erzeuger*innenpreis für ihre Produkte erhalten. Dazu kann ein staatlich festgesetzter Mindestpreis beitragen. Dafür kann der Staat aber auch ökologische Mindeststandards von den Landwirten erwarten. Die höheren Lebensmittelpreise für die bessere Qualität müssen sich aber alle Menschen leisten können. Die Lösung liegt in sozialer Gerechtigkeit durch höhere Löhne, Mindestlöhne und eine garantierte Mindestsicherung, die es auch Sozialleistungsbezieher*innen ermöglicht, sich gut und gesund zu ernähren. Wenn in Deutschland wieder 20% des Einkommens statt zurzeit 10% für Ernährung ausgegeben wird, dann werden die Menschen auch wieder gesünder leben. Ernährung ist die Grundlage der Lebensqualität.

 


[1] Es ist politisch bezeichnend, wenn sich Anfang Februar 2021 die Niedersächsische SPD/CDU-Landesregierung sogar gegen ein unzureichendes Gesetz der Bundesregierung zum Schutz von Insekten ausspricht, weil es ihnen noch zu scharf ist.

[2] Der Begriff ist undefiniert. Wo ist die Grenze zur Agrarindustrie? Bei 100 Hektar, bei 100 Rindern, bei 1.000 Schweinen, bei 10.000 Hühnern? Die konventionelle Landwirtschaft auch der Kleinbauern unter 100 ha ist schon seit über 50 Jahren agrarindustriell.