Zu großes Parlament, zu wenig Repräsentanz. Plädoyer für eine demokratische Wahlrechtsreform.

Christoph Podstawa

Die bisher vorgeschlagenen Wahlrechtsreformen lösen kein Problem, denn nicht die Größe des Parlaments ist das Problem, sondern die fehlende Repräsentanz großer Teile der Bevölkerung. Dieses Problem zu ignorieren, führt eben dazu, dass sich viele Bundestagsfraktionen von der Realtität der Bevölkerungsmehrheit entfremden. Ein Kommentar des Landesgeschäftsführers Christoph Podstawa.

 

Die bisher vorgeschlagenen Wahlrechtsreformen lösen kein Problem, denn nicht die Größe des Parlaments ist das Problem, sondern die fehlende Repräsentanz großer Teile der Bevölkerung. Dieses Problem zu ignorieren, führt eben dazu, dass sich viele Bundestagsfraktionen von der Realtität der Bevölkerungsmehrheit entfremden. Ein Kommentar des Landesgeschäftsführers Christoph Podstawa.

Der deutsche Bundestag gilt als aufgebläht. Die Wahlrechtsreform der großen Koalition bevorteilt einseitig die CDU, weil Überhangsmandate zum Teil nicht ausgeglichen werden sollen. Die Probleme eines aufgeblähten Parlaments bleiben dennoch ungelöst. Auffällig ist, dass kaum zur Sprache kommt, dass der Bundestag immer größer wird, während die Repräsentanz sinkt. Wer im Bundestag sitzt, genießt viele Privilegien und gehört zu den Toppverdienenden. Ein Mitglied des Bundestages bekommt eine Aufwandsentschädigung von aktuell 10.083,47€. Während wir uns in der zweiten Klasse quetschen müssen, erhalten sie freie Fahrt in der 1. Klasse oder nutzen gleich den Fahrdienst des Bundstages. Gehaltskürzungen sie nur aus den Zeitungen, die Bundestagsabgeordneten stimmen regelmäßig ihrer eigenen Gehaltserhöhung zu.

Über 50% der Renten liegen unter 1000 €, die MdB zahlen nicht in die Rentenkasse ein, erhalten aber dicke Pensionen. Während immer mehr Menschen in Angst vor Altersarmut leben, verschwindet diese Angst aus der Gefühlswelt der Bundestagsabgeordneten. Während immer mehr Menschen in unsicheren Jobs stecken, werden Bundestagsabgeordnete von Lobbyisten umgarnt. Wer im Parlament sitzt, sitzt oft auch oder in Anschluss seiner Bundestagskarriere in irgendwelchen Aussichtsräten oder hat lukrative „Neben – oder Folgejobs“. Dieser Lobbyismus wahrt die Interessen der Konzerne und der Oberschichten. Oder anders: Alleinerziehende, Rentner*innen, Studierende, Auszubildende, Angestellte, Arbeiter*innen und Hartz-IV-Beziehende finden nur im Wahlkampf Gehör. Konzerne hingegen haben einen permanenten Draht ins Parlament.

Repräsentanz ist nicht nur eine Frage des Geldes. Ein großer Teil der Bevölkerung wird beispielsweise aufgrund ihrer Nationalität vom politischen Beteiligungsprozess ausgeschlossen. Es sind ausgerechnet diese Gruppen, die die Politik zu Sündenböcken macht. Nicht Geflüchtete sind an Wohnungsnot, unsicheren Arbeitsverhältnissen oder dem Pflegenotstand verantwortlich, sondern die Politiker*innen. Im Parlament sitzend verlieren immer mehr das Gespür für die Probleme. Wer kein Bezug zu den Problemen hat, braucht Sündenböcke.  

Auffällig ist, dass die Bevölkerung zu über 50% weiblich ist, im Parlament sank die Frauenquote zuletzt auf 31%. Hier gäbe es rechtliche Mittel. 20% der Menschen besitzen einen akademischen Abschluss. Im Bundestag liegt die Quote der Akademiker*innen bei über 80%, in der Bevölkerung bei 30%. Insbesondere Menschen aus dem Handwerk, der Pflege oder dem Einzelhandel sind kaum vertreten. Es braucht mehr Respekt vor den Leistungen und Erfahrungen der Menschen.

DIE LINKE. hat gute Ansätze. Unsere Frauenquote ist selbstverständlich, Abgeordnete zahlen hohe zusätzliche Abgaben, viele sind vor Ort aktiv und wir achten zunehmend auf Barrierefreiheit sowie verständliche Sprache. Als Mensch, der selber nach Deutschland migriert ist, bin ich stolz darauf, dass meine Partei die erste muslimische Fraktionsvorsitzende stellt. Und dass unsere Bundesvorsitzenden selbstverständlich nach acht Jahren wechseln. Fluktuation tut der Demokratie gut!

Es braucht trotzdem weitreichende Reformen: Eine Idee wäre es die Aufwandsentschädigung an das Durchschnittsgehalt der Menschen zu koppeln. Alle Menschen, die seit min. einem Jahr hier leben, gehört das Wahlrecht zugesprochen! Und nicht zuletzt brauchen wir eine Beschränkung der Legislaturperioden. Denn es braucht mehr Menschen, die die Probleme der Menschen noch am eigenen Leib spüren. Das heißt auch: Es gehören mehr Frauen, mehr Migrant*innen, mehr Menschen mit Einschränkungen und mehr Menschen aus gesellschaftlichen relevanten Berufen in den Bundestag!