Metaller*innen sichern Beschäftigung durch Arbeitszeitabsenkung

Friedrich Albers / Stephan Marquardt

Als die IG Metall 1984 die 35 Stundenwoche in einer der härtesten Auseinandersetzungen der Gewerkschaftsgeschichte für die Metallindustrie erkämpfte, ging es nicht nur um mehr Freizeit, Ziel war es auch, die Arbeit neu zu verteilen - ganz nach dem Motto: „Arbeitszeitverkürzung schafft Arbeitsplätze“. Tatsächlich nutzten die Industrieunternehmen in der Bankenkrise 2008 sehr erfolgreich das Instrument der Kurzarbeit um viele Arbeitsplätze durch die Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit und staatlicher Unterstützung abzusichern. Oftmals konnten Gewerkschaften und Betriebsräte eine Aufzahlung auf das Kurzarbeitergeld durchsetzen.

Nachdem die IG Metall im Jahr 2020 mit dem Ausbrechen der Coronakrise konfrontiert war, wurde die Tarifrunde auf das Jahr 2021 verschoben. Auch im vergangenen Jahr erwies sich das Instrument der Kurzarbeit als sehr wirksam, um Kündigungen zu verhindern. Zwar sind die gesetzlichen Regelungen mittlerweile verbessert, sie reichen aber an vielen Stellen nicht aus, um Einkommensverluste zu verhindern. Anstatt gemeinsam an einer Bewältigung der Krise zu arbeiten nutzten viele Kapitalisten die Pandemie als Vorwand, große Teile ihrer Belegschaft zu entlassen und Standorte zu schließen. In großen Teilen der Metall- und Elektroindustrie, wurden große Entlassungswellen angekündigt oder waren bereits in Vorbereitung und so beschlossen die Metaller*innen das Instrument der Arbeitszeitverkürzung auf die Füße eines Tarifvertrages zu stellen.

Während sich die Arbeitgeberverbände in den ersten Verhandlungsrunden nicht bewegten und ganz klar die Kraft der Gewerkschaft anzweifelten, einen Arbeitskampf während einer Pandemie zu organisieren, zeigten die Gewerkschafter*innen, dass sie durchaus im Stande waren ihre Arbeitskämpfe neu zu erfinden und sich auf diese Herausforderungen einzustellen. Letztendlich erkämpfte man einen Tarifvertrag, der neben noch eher schwachen Regelungen für Standorttarifverträge und einer neuen Einmalzahlung auch erweiterte Möglichkeiten zur Arbeitszeitabsenkung in der Krise vorsieht. Diese wird jedoch zunächst hauptsächlich dadurch finanziert, dass eine neu verhandelte Einmalzahlung von 27,8% eines Monatseinkommens dazu genutzt werden kann, um die Entgelteinbußen bei der Arbeitszeitabsenkung gegen zu finanzieren. Damit erkaufen sich Beschäftigte einen Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen.

Während man sich im Westen also mit dem neuen Tarifvertrag den Einstieg in die Vier-Tage-Woche erkämpft hat, ist die Tarifrunde für Kolleg*Innen in Sachsen und Berlin/Brandenburg noch nicht beendet. Dort kämpft man für ein tarifliches Angleichungsgeld, welches die Lohnunterschiede zwischen Ost und West endlich beenden soll. Doch die Arbeitgeberverbände weigern sich beharrlich, ihren „Wettbewerbsvorteil“ aufzugeben und die Metaller*Innen im Osten genauso zu bezahlen wie die im Westen oder durch mögliche betriebliche Regelungen die wöchentliche Arbeitszeit bei vollem Entgeltausgleich endlich auf 35 Stunden zu reduzieren.  Nach dem verlorenen Kampf um die Einführung der 35 Stundenwoche im Osten hat die IG Metall nun die Chance, ihr damals erlittenes Traume endlich abzustreifen und reinen Tisch zu machen. Hierfür braucht es Solidarität aus Westdeutschland inner- und außerhalb der Gewerkschaft.

Im Juni war es dann soweit, der Durchbruch für die Angleichung der Arbeitsbedingungen im Osten ist geschafft. Die IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen und die Arbeitgeberverbände Berlin-Brandenburg (VME) und Sachsen (VSME) haben sich am Abend des 25. Juni in Leipzig in der dritten Verhandlungsrunde auf einen tariflichen Rahmen zur Angleichung geeinigt.

Ab Juli 2021 sollen die Betriebsparteien, sprich Betriebsräte und Arbeitgeber, darüber verhandeln in welchen Zeiträumen die Arbeitszeit abgesenkt wird. In Betriebsvereinbarungen wird zukünftig festgehalten wie dieses geschehen soll. Damit die Betriebsräte nicht alleine in der Verantwortung für die Vereinbarungen stehen, müssen die Tarifvertragsparteien, also die IG Metall und die VME und VSME, diesen Vereinbarungen zustimmen. Die Auswertung der betrieblichen Vereinbarungen wird im Jahr 2022 stattfinden. Die in den Betrieben ausgehandelten Arbeitszeitverkürzungen werden auch nach Auslauf des Tarifvertrages und der Betriebsvereinbarungen nicht zurückgenommen!

In den folgenden Monaten wird der Kampf um eine Angleichung der Arbeitszeit in die Betriebe verlagert. Nach dem harten Arbeitskampf für diesen Tarifabschluss ist noch lange nicht Schluss für die Kollegen und Kolleginnen im Osten. Die Betriebsräte brauchen fachliche Unterstützung Ihrer Gewerkschaftsfunktionäre, auf die jede Menge Arbeit zukommt.

Deshalb braucht die IG Metall und Ihre Betriebsräte jede Form der Solidarität, damit die gewerkschaftlich errungene 35 Stunden Woche endlich auch für die östlichen Bundesländer gilt.