Energieintensive Industrien auf den Prüfstand!

Hintergründe zum Antrag A5 des Landesparteitags DIE LINKE. Niedersachsen

Der Antrag "Energieintensive Industrien auf den Prüfstand!" ist auf der Seite der LINKEN. Niedersachsen online abrufbar.

 

  1. Einleitung: … den Stoffwechsel mit der Natur zu beschränken
  2. Energetische Bilanzverfälschung mit energetischer Biomasseverwertung hat notwendige Schritte verschleppt
  3. Energieintensive Industrien als Regisseure von Klima- und Energiestrategien
  4. Nationale Wasserstoffstrategie als Verschleppung Nr. 2
  5. Grüner Wasserstoff aus Atomenergie? - Farbenlehre des Wasserstoffs
  6. Wasserstoffstrategie als Energiefresser
  7. Wasserstoff als Option, energieintensive Industrien unverändert zu erhalten
  8. Energieintensive Industrien zum großen Teil entbehrlich oder ersetzbar
  9. Alternativen zu Stahl
  10. Alternativen zur Zementindustrie
  11. Alternativen zur chemischen Industrie
  12. Logistik, Distribution und Lebensweise
  13. Tatsächlich laufende Planungen mit Atomenergie
  14. Wege, die eine wirkliche Alternative zu einer nuklearen Zukunft bedeuten können.
    Im Bundestag werden sie ausschließlich durch DIE LINKE vertreten.
  15. Der Aufbau einer weltweiten nuklearen Wasserstoffwirtschaft beginnt JETZT

 

1. Einleitung: … den Stoffwechsel mit der Natur zu beschränken

Der Publizist und Parteivorstandsmitglied Raul Zelik hat nicht nur auf dem Abschlusspodium der Strategiekonferenz der LINKEN im Frühjahr 2020 in Kassel, sondern auch in vielen Publikationen eine wichtige Maxime vertreten, welche Leitlinie für den ökologisch-sozialen Umbau unserer Gesellschaft sein sollte. Es gehe darum, "den Stoffwechsel mit der Natur [zu] beschränken."

Dieser Antrag fordert die ergebnisoffene Befassung mit dem angesprochenen Thema auf einer Konferenz. Hier sollen einige Zusammenhänge als Hintergrundinformationen dargestellt werden.

 

2. Energetische Bilanzverfälschung mit Biomasseverbrennung hat notwendige Schritte verschleppt

Wohin das Missachten der eingangs genannten Maxime führt, können wir schon heute sehen:
Seitdem die Klimakrise massiv ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückte (also seit dem Weltklimagipfel Rio 1992), hätten Maßnahmen ergriffen werden sollen, um gegen den Klimawandel vorzugehen. Es wurden aber keine technologischen Veränderungen in Gang gesetzt, um massiv Energie einzusparen - also den Stoffwechsel mit der Natur zu beschränken. Stattdessen wurde versucht, den bisher aus fossilen Energiequellen gestillten Energiebedarf unserer Gesellschaft und vor allem der Industrie auf vielen Gebieten durch die Verwertung von Biomasse zu befriedigen: Agrosprit aus Soja und Palmöl mit dem damit verbundenen Raubbau an Wäldern; Pelletheizungen und Monokulturen für sogenannte Energiepflanzen, Umstellung von Stadtwerken und beginnend auch von Kraftwerken auf einen steigenden Anteil Biomasseverfeuerung. Ein relevanter Teil der heute sichtbaren Zerstörungen, Monokulturen, Entwaldungen und damit ein Beitrag zur Beschleunigung des Klimawandels ist auch auf diese Strategie zurückzuführen: Zusätzlich zu dem schon bis dahin stattgefundenen Raubbau an der Natur wurde unsere Biosphäre seit den 90er Jahren in einem gesteigerten Tempo "energetisch verwertet". Längst fällige Schritte hin zu Degrowth wurden verschlafen.

Die Konzepte, nachwachsende Biomasse und Holz zu Biogas zu verarbeiten und für Stromerzeugung zu verwenden, wurden keine 15 Jahre, nachdem sie von Rot-Grün und auch CDU und FDP mit dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz gefördert und als die Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeits-Leuchtturm-Idee schlechthin angepriesen wurden, plötzlich als nicht nachhaltige Sackgassentechnologie erkannt und die Förderung massiv reduziert. Die Folge war ein Zusammenbruch einer gerade erst künstlich aufgeblasenen Industrie. Es wirkt eher wie Chaos als wie eine Nachhaltigkeitsstrategie. Seit 2020 besteht Konsens, dass die Verbrennung von Holz und die Vergärung von eigens zu diesem Zweck angebauten nachwachsenden Rohstoffen keinen Beitrag zur Klimawende leisten kann. Lediglich Biomassen aus der Kaskadennutzung (also Abfälle) können zur Energiewende beitragen. Jedoch sind sie nicht nach Bedarf ausbaubar (Abfall ist zu vermeiden statt zu vermehren) und spielen daher für die Zukunft nur eine sehr untergeordnete Rolle.

 

3. Energieintensive Industrien als Regisseure von Klima- und Energiestrategien

Der Weltklimagipfel Rio 1992 wurde durch Kräfte organisiert, die sich später als "World Business Council on Sustainable Development" (WBCSD, Weltwirtschaftsrat für nachhaltige Entwicklung) offiziell konstituiert haben. Zu ihnen gehören die einflussreichsten Kapitale der Welt wie z.B. Automobil-, Stahl- und Chemiekonzerne. Angesichts dessen ist es nicht verwunderlich, dass die Weichen für Strategien gestellt wurden, die den Energiebedarf nicht umwälzend gesenkt haben. In dieser falschen Art konsequenter Weise nahm z.B. die durchschnittliche Leistung der neu in Deutschland zugelassenen Autos sogar von 95 PS (1995) auf 158 PS (2019) zu.

 

4. Nationale Wasserstoffstrategie als Verschleppung Nr. 2

Die nächste Runde dieses falschen Weges wird nun mit der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) eingeläutet. Statt den Ressourcen- und Energieverbrauch zu senken, setzt sie auf CO2-neutralen und damit angeblich "nachhaltigen", aber nicht reduzierten, sondern sogar mit Sicherheit gesteigerten Ressourcenverbrauch durch die Wasserstofftechnologie. Eine wichtige Rolle kommt in der Diskussion dem Thema "grüner Wasserstoff" zu. Vereinfacht formuliert stellt sich diese Perspektive in Deutschland folgendermaßen dar: Wenn der Wasserstoff klimaneutral gewonnen werde, dann sei der Energieverbrauch, also ein noch so schlechter Wirkungsgrad, nebensächlich. Außerdem soll er zum größten Teil im Ausland gewonnen werden.
Fachpolitiker unserer Bundestagsfraktion gehen davon aus, dass auch langfristig 80 Prozent des in Deutschland verbrauchten Wasserstoffs importiert werden müsse, so dass die Herkunft dieses Wasserstoffs nur schwer bestimmt werden kann .

 

5. Grüner Wasserstoff aus Atomenergie? - Farbenlehre des Wasserstoffs

In Projekten von EDF (französisches Staatsunternehmen) wird schon jetzt Wasserstoff aus Atomstrom ganz offen als "grüner Wasserstoff" bezeichnet. Dies harmoniert unter dem Aspekt der Treibhausgas(THG)-Emissionen mit den Grundzügen einer jeden "Farbenlehre des Wasserstoffs": Grauer Wasserstoff ist derjenige, der in herkömmlicher Weise durch (Wasser-)Dampfreformierung z.B. mit Erdgas mit voller Emission von CO2 gewonnen wird, blauer Wasserstoff ist derjenige, bei dessen Herstellung entstehendes CO2 eingefangen wird, um es (z.B. unter der Erde) zu "speichern" und grüner Wasserstoff ist derjenige, bei dessen Herstellung kein CO2 entsteht oder bei dessen Herstellung entstehendes CO2 aufgrund der Ausgangsstoffe (z.B. Waldrestholz) als nicht klimarelevant interpretiert wird. Vor diesem Hintergrund ist klar, dass es die Interpretationsmöglichkeit gibt, wie wir es bereits sehen, Wasserstoff, der mit Atomenergie angeblich ohne THG-Emissionen hergestellt wird, ebenfalls als "grün" zu bezeichnen. Andere Farbzuweisungen für Wasserstoff aus Atomenergie changieren von Violett über Rot bis Pink. Sie erwecken durch ihre Uneinheitlichkeit den Eindruck, dass es im Unterschied zur Zuweisung "Grün = CO2-frei" darüber hinaus keine Verbindlichkeit gibt.

 

6. Wasserstoffstrategie als Energiefresser

Im Effizienzvergleich sind Lösungen mit Akkus als Speicher für Strom deutlich günstiger als Konzepte mit Wasserstoff. Daher raten die Fachpolitiker*innen unserer Bundespartei und -Fraktion z.B. für den motorisierten Individualverkehr von Konzepten mit Wasserstoff ab. Wasserstofftankstellen können nur diejenigen fordern, die auch für die Zukunft an Langstreckenindividualverkehr glauben, statt auf intelligente Verkehrskonzepte für den Nahbereich und auf die Schiene für den Personen- und Güter-Fernverkehr zu setzen. Auch für Triebwagen erfährt man inzwischen, dass Akkus energieeffizienter sind als Wasserstoff-Brennstoffzellen. Natürlich ist für Schienenfahrzeuge Oberleitung oder eine andere Stromleitung immer die erste Wahl. Darüber hinaus setzt DIE LINKE auch grundsätzlich auf die Förderung des öffentlichen Verkehrs und des Radverkehrs, um den Gesamtenergieverbrauch unserer Gesellschaft zu senken. Auch Güter sollen von der Straße zurück auf die Schiene. Das sind logische und richtige Konsequenzen aus der eingangs genannten Maxime. Ebenso wie es Kernforderung des durch DIE LINKE geforderten sozial-ökologischen Umbaus ist, dass der ÖPNV kostenlos sein muss.

 

7. Wasserstoff als einzige Option, energieintensive Industrien unverändert zu erhalten

Obwohl unsere Partei und Bundestagsfraktion für viele Verkehrsmittel nicht auf Wasserstoff setzen wollen, folgen sie bei der Diskussion über wichtige Grundstoffindustrien wie Stahl, Papier, Zement und Chemie noch der Regierungslinie. Demnach soll für diese Branchen der bisherige gewaltige fossile Energie- und fossile Rohstoffbedarf (vor allem Naphtha für Kunststoffe) lediglich durch CO2-emissionsarme oder -freie Versorgung mit Energie weiter betrieben werden. Wenn in diesen Bereichen aber lediglich die Energieversorgung von fossilen Energien und Grundstoffen wie Koks, Erdgas, Erdöl etc. auf Wasserstoff und Strom umgestellt werden soll, statt radikale Energieeinsparung zu entwickeln, dann rückt der Gedanke an eine klimafreundliche Energie- und Industriepolitik ohne Atomenergie in weite Ferne. Alleine für die Gewinnung des Wasserstoffs zur Herstellung des europäischen Stahls in unveränderter Menge braucht man die Energie der gesamten französischen AKW-Flotte.

 

8. Energieintensive Industrien zum großen Teil entbehrlich oder ersetzbar

Um aus der Zwickmühle zwischen fossilen Energien und Atomenergie heraus zu kommen, sollte DIE LINKE die energieintensiven Industrien also kritisch unter die Lupe nehmen:

  • Stahl kann in seinen wichtigsten Einsatzbereichen durch naturfaserverstärkte Materialien ersetzt werden.
  • Für Zement gibt es Konzepte, ihn durch Hanfzement und/oder Holzbau zu ersetzen.
  • Die chemische und vor allem die Kunststoffindustrie hat als wichtigste Einsatzfelder die heutige sehr zentralisierte und in immer weniger Oligopolen konzentrierte Produktion, Logistik und Distribution der Produkte des alltäglichen Bedarfs. Es müssen also Möglichkeiten entwickelt werden, diese durch dezentrale Produktion und Distribution mit kurzen Transportwegen, und kleineren Läden zu ersetzen. Der aus so veränderter Lebensweise entspringende Gewinn für die Gesellschaft wäre nicht nur ein ökologischer, sondern durch die bessere Regionalkommunikation auch für die (mentale) Gesundheit vor allem der älteren Bevölkerung.

 

 

9. Alternativen zu Stahl

Schon seit den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts ist bekannt, dass Stahl durch naturfaserverstärkte Materialien z.B. für die Herstellung von Autokarosserien (Trabbi) ersetzt werden kann. Dies ergibt doppelte Energieeinspareffekte: Weniger Energieverbrauch durch leichtere Fahrzeuge für den Antrieb, dadurch auch weniger Akkugewicht und weniger Energieeinsatz für die Herstellung. Diese Ansätze werden aktuell z.B. durch das Projekt Bioconcept-Car der Hochschule Hannover oder auch der Autoentwicklung Noah an der TU/ecomotive Eindhoven in den Niederlanden verfolgt. Ein weiteres Projekt in diesem Zusammenhang ist der Onyx Mio, entwickelt durch Nicolas Meyer, der leider 2018 viel zu jung im Alter von 42 Jahren verstorben ist. Solche Bemühungen sollten nicht länger ein Schattendasein fristen. DIE LINKE könnte sie näher in den Fokus nehmen und sich für die breite Förderung solcher und ähnlicher Projekte, mit leichten und in der Herstellung energiesparenden Materialien auch für den ÖPNV einsetzen.

Die angesprochenen Veränderungen sind in ihren Konsequenzen höchst komplex und bisher noch nicht ausreichend untersucht. Kapital- und energieintensive Produktionen müssen möglicherweise durch arbeitsintensive, ressourcensparende Produktionen ersetzt werden. Monopole wie z.B. große, zentrale Standorte der Automobilindustrie mit mehreren tausend Arbeitsstellen werden evtl. durch viele dezentrale Produktionsorte ersetzt. Dass durch die weniger kapital- und energieintensive, aber deutlich arbeitsintensivere Produktion dann sogar mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, kann erwartet werden.

Ähnliche Betrachtungen sind auch bei weiteren energieintensiven Industrien und ihren Produkten wie der Zementindustrie, der Papier- und der chemischen Industrie notwendig.

 

10. Alternativen zur Zementindustrie

Auch für die Herstellung von Zementklinker ist aufgrund der hohen benötigten Temperaturen als Ersatz fossiler Energien der Einsatz von Wasserstoff für die zukünftige klimaneutrale Herstellung vorgesehen. Als Alternative wäre z.B. an Hanfzement und Holzbauweise zu denken, deren Weiterentwicklung intensiv gefördert werden sollte.

 

11. Alternativen zur chemischen Industrie

Vor allem die Kunststoffindustrie basiert auf großen Mengen aus Erdöl gewonnener Rohstoffe. In Zukunft sollen sie nach bisherigen, vorherrschenden Konzepten mit Wasserstoff als stofflicher Grundlage produziert werden. Fürs Recycling wird in thermischen Verfahren der Kunststoff wieder in Wasserstoff überführt. Beim Gesamtprozess, von der Einsammlung des Kunststoffmülls bis zu den gängigsten Einsatzstoffen der chemischen Industrie wie Wasserstoff oder Methanol gehen drei Viertel der Gesamtmenge und damit drei Viertel der darin enthaltenen Energie pro Umlauf verloren. Sie müssen jedes Mal von außen zugeführt werden, um wieder Kunststoffe zu produzieren. Heutige Energiebilanzen der chemischen Industrie beinhalten noch nicht einmal den Energieinhalt des aus Erdöl abgetrennten Rohstoffs Naphtha, aus dem Kunststoffe produziert werden.

 

12. Logistik, Distribution und Lebensweise

Als Alternative zu den heutigen und auch den geplanten Konzepten für Logistik und Verpackung muss in Frage gestellt werden, ob die heutige Distribution und Produktion für den täglichen Bedarf, wie wir sie kennen, auch in Zukunft so sein müssen. Denn wir haben immer konzentriertere Marktmonopole, die ihre Gewinne durch riesige zentralisierte Produktionen und Transporte über weite Strecken realisieren., Es müssen Möglichkeiten entwickelt werden, diese durch dezentrale Produktion und Distribution, mit kurzen Transportwegen und kleineren Läden zu ersetzen. In diesen wird dann auf Pfandkonzepte und Arbeitskräfte gesetzt, die beispielsweise die hygienische Handhabung der Lebensmittel sicherstellen, statt auf Verpackungstechnologien mit dem entsprechenden Energieverbrauch. Es geht also um massive Energieeinsparpotenziale bei Verpackung und Transport. Sie benötigen auf der anderen Seite öffentliche Subventionen für den Einsatz menschlicher Arbeitskraft (dezentrale Strukturen, kleinere Läden). Der daraus entspringende Gewinn für die Gesellschaft wäre nicht nur ein ökologischer, sondern durch die bessere Regionalkommunikation auch für die (mentale) Gesundheit, vor allem der älteren Bevölkerung.

 

13. Tatsächlich laufende Planungen mit Atomenergie

Wenn unendlich viel CO2-neutral gewonnene Energie zur Verfügung stünde, wäre es in punkto CO2-Bilanz kein Problem, alle Prozesse, Produktionen und Distributionen so zu belassen, wie sie heute sind. Dies sind die bisherigen Planungen seit 1953 ("Atoms for Peace"-Rede des US-Präsidenten). Es gibt bisher keine Planungen, in enormem Maß Energie zu sparen. Wir haben aber nicht unendlich viel CO2-freie Energie zur Verfügung, wenn wir nicht auf Atomenergie setzen wollen.

Es hat keinen Zweck, angesichts der zuende gehenden Verwertung von fossilen Energien den Kopf in den Sand zu stecken. Wir können uns nicht auf die Illusion einlassen, dass entgegen aller bilanziellen Vernunft eine Fortsetzung der Industriegesellschaft fast genauso, wie wir sie kennen, mit Energieversorgung aus "Erneuerbaren" möglich wäre.
Der klimapolitische Diskurs der letzten Jahrzehnte wurde vordergründig vom Club of Rome, der Brundtland-Kommission und Rio 1992 angeführt. Er wurde, wie oben als Organisation WBCSD und seine Akteure erwähnt, zum großen Teil durch die Kräfte gesteuert, die gegen die Drohung ihrer Existenzauslöschung für Perspektiven mit gleichbleibender Energieverschwendung kämpfen müssen. Sonst haben ihre Produktionen keine positiven Zukunftsprognosen. Als LINKE dürfen wir nicht mitgehen, die Zukunftsprognosen dieser mächtigsten Kapitale mit denen der Menschheit zu verwechseln.

Angesichts der sich radikal verschärfenden Klimakrise und der immer aggressiver vorgetragenen Alternativlosigkeit des Ersatzes der fossilen Energiequellen durch Atomenergie wird immer deutlicher, dass wir neue Wege gehen müssen.

Zudem kann niemand garantieren, dass die Atomenergie nach all den Katastrophen wieder langfristig Akzeptanz finden wird, bedenkt man, dass die Vorstellungen von 1953 waren, dass bis zum Jahr 2000 der weltweite Energiebedarf bereits zum größten Teil durch Atomenergie gestillt werden würde. Bis heute werden nur knapp 5 % des Weltenergiebedarfs durch Atomenergie gedeckt. Die Prognosen der Atomindustrie wurden damals aufgrund der grundlegenden Gegnerschaft der Bevölkerungen gegen diese Technologie nicht eingehalten.

Aktuell werden aber sogar in Deutschland Rufe nach einer Laufzeitverlängerung der AKW aus den unterschiedlichsten Richtungen immer lauter. Auch wenn zur Zeit das Atomausstiegsgesetz in Deutschland noch Gültigkeit hat, müssen wir uns klar machen, dass Deutschland, die Schweiz, Österreich, Italien und bedingt Dänemark als Atomausstiegsländer nur ein kleines gallisches Dorf sind: Nur die Regierungen dieser 2 % der Weltbevölkerung unterliegen Beschlüssen, die es derzeit ausschließen, auf Atomenergie zu setzen.

 

14. Wege, die eine wirkliche Alternative zu einer nuklearen Zukunft bedeuten können, liegen alleine in einem sozial-ökologischen Umbau, wie ihn von allen Bundestagsparteien ausschließlich DIE LINKE vertritt.

Unter Berufung auf das Gremium der UNO, das für die Beurteilung von Maßnahmen gegen den Klimawandel zuständig ist, den International Panel on Climate Change (IPCC, Weltklimarat), teilte der Chef der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) vor kurzem mit: "Jeder Weg zur Erreichung der im Pariser Abkommen festgelegten 2-Grad-Schwelle ist ohne Atomkraft nahezu unmöglich, wenn nicht unmöglich".

Ohne es auszusprechen, meint der Chef der IAEO offenbar, dass es keine wesentlichen Änderungen im Energieverbrauch und im Gesamtumsatz unserer Industriegesellschaft geben dürfe. Unter dieser Maxime ist seiner Aussage nichts entgegen zu setzen.

 

15. Der Aufbau einer weltweiten nuklearen Wasserstoffwirtschaft beginnt JETZT

Die entsprechenden Konzepte einer neuen mit Atomenergie betriebenen Industriegesellschaft, die auf diesem Wege CO2-frei mit Strom, Wärme und Wasserstoff in beliebiger Menge versorgt wird, sind mit der Studie "The Future of Nuclear Energy in a Carbon Constrained World" des MIT Ende 2018 veröffentlicht worden. Das war also ein Jahr vor der Ausrufung der Deutschen Wasserstoffstrategie und des European Green Deal. Die Studie empfiehlt, Atom-Hochtemperatur-Reaktoren (HTR), die angeblich weder fatale Störfälle haben können noch Atommüll produzieren werden, als Kleinreaktoren in zehntausendfacher Zahl in Serie zu fertigen. Aus der Studie, die davon ausgeht, dass fast die gesamte Energieversorgung auf Atomenergie beruhen wird, folgt außerdem, dass es dann effizienter sei, in HTR thermisch gewonnenen Wasserstoff für den Antrieb von Autos zu verwenden als sie mit in HTR gewonnenem Strom zu betreiben. Wer von einer nuklearen Energieversorgung der Welt ausgeht, muss sich also für eine Wasserstoffinfrastruktur starkmachen.
In den USA wurden nur Wochen nach Veröffentlichung der Studie die Gesetzeswerke Nuclear Energy Innovation Capabilities Act (NEICA), Nuclear Energy Innovation and Modernization Act (NEIMA) und Nuclear Energy Leadership Act (NELA) auf den Weg gebracht. Im Oktober 2020 wurden dort erste Gelder für die Errichtung der HTR neuen Typs freigegeben, der Small Modular Reactors (SMR, aus Modulen zusammensetzbare kleine Atomreaktoren) freigegeben.
Unter ihnen X-energy, nach dem Vorbild des Kugelhaufenreaktors, dessen Entwicklung in Jülich (Nordrhein-Westfalen) vor allem seit 2001 unter einer rot-grünen Landesregierung und rot-grüner Bundesregierung gefördert und danach noch bis mindestens 2010 stattgefunden hat. Dieser Reaktortyp, zusammen mit dem Flüssigsalzreaktor von Terrapower (Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung), wird in den USA für 3,2 Mrd. Dollar als Demonstrationsprojekt gebaut, um ab 2030 weltweit in Serie zu gehen. Die Kugeln für den X-energy werden von SGL Carbon (geführt unter anderem von Quandt/Klatten/BMW und VW) gebaut. Die geplante Anzahl an SMR wird auf ca. 40.000 Kraftwerke weltweit geschätzt. Es wird also deutlich, dass die nukleare Wasserstoffstrategie ein lagerübergreifendes Projekt internationaler Zusammenarbeit ist, für den Erhalt der Industriegesellschaft auf bleibendem Energieverschwendungsniveau.
Für die Serienfertigungen und Wiederaufarbeitung der zehntausenden SMR, für die es dann Typ-Genehmigungen statt langwieriger und kostspieliger Standortgenehmigungen geben soll, also für die Umsetzung dieser Planungen, stehen die Länder, die sich schon jetzt zu einer nuklearen Wasserstoffwirtschaft bekannt haben, USA, Südkorea, Japan, Russland, China, Frankreich, Großbritannien, Südafrika, Kanada und Indien, bereit.
Am 12. Januar 2021 dieses Jahres ist damit begonnen worden, den ersten dieser Serienreaktoren in der chinesischen Provinz Shandong als Demonstrationsprojekt mit Brennmaterial (Kugeln) zu bestücken.

Wenn wir als LINKE im Unterschied zu den Konzepten der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS), der EU und der UNO nicht auf Atomenergie setzen wollen, dann müssen wir statt auf die NWS auf konsequent Energie sparende Projekte und Strategien setzen und die erwähnten energieintensiven Industrien auf den Prüfstand stellen, statt deren vorbehaltloser Versorgung mit "grünem Wasserstoff" unser Einverständnis zu geben.