LAG Gegen jeden Antisemitismus

Wir sind die „Landesarbeitsgemeinschaft Gegen jeden Antisemitismus“ – ein Zusammenschluss innerhalb der Partei Die Linke in Niedersachsen, der sich konsequent und aktiv gegen jede Form von Judenhass und Antisemitismus stellt.

Antisemitismus ist kein Relikt der Vergangenheit, sondern bittere Realität – auch innerhalb der Linken.  Wir sehen es als unsere Aufgabe, antisemitische Ideologien und Narrative in allen gesellschaftlichen Bereichen zu benennen, zu bekämpfen und zurückzudrängen, vor allem dann, wenn die Verursacher*innen sich in der politischen Linken organisieren.

Unsere Arbeit basiert auf drei Grundprinzipien:

  1. Unbedingte Solidarität mit Jüd*innen – in Deutschland, in Israel und weltweit.

  2. Kritik am Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen – ob offen oder codiert, religiös, rassistisch, strukturell oder israelbezogen.

  3. Selbstkritik und politische Aufklärung – auch innerhalb der Linken.

Wir stehen für eine linke Politik, die bei Antisemitismus nicht relativiert und nicht wegschaut. Wir setzen uns ein für eine Gesellschaft, in der jüdisches Leben sicher, sichtbar und selbstverständlich ist.

„Deutschland hat wegen der beispiellosen Verbrechen der Deutschen an den Jüdinnen und Juden während des deutschen Faschismus eine besondere Verantwortung und muss jeder Art von Antisemitismus, Rassismus, Unterdrückung und Krieg entgegentreten. Insbesondere diese Verantwortung verpflichtet auch uns, für das Existenzrecht Israels einzutreten. Zugleich stehen wir für eine friedliche Beilegung des Nahostkonfliktes im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung und damit die völkerrechtliche Anerkennung eines eigenständigen und lebensfähigen palästinensischen Staates auf der Basis der Resolutionen der Vereinten Nationen.“

(Parteiprogramm Die Linke, Beschluss des Parteitages der Partei Die Linke vom 21. bis 23. Oktober 2011, bestätigt durch einen Mitgliederentscheid im Dezember 2011, S. 16.)

Ich möchte Informationen erhalten

Ich bin kein Mitglied der LAG Gegen jeden Antisemitismus und möchte per E-Mail über aktuelle Aktivitäten, Stellungnahmen und ähnliches informiert werden. Meine Einwilligung ist freiwillig. Sollte ich keine E-Mails mehr erhalten wollen, informiere ich die Verantwortlichen rechtzeitig.

Selbstverständnis

Die Landesarbeitsgemeinschaft Gegen jeden Antisemitismus (LAG Gegen jeden Antisemitismus) ist die Vertretung der Parteimitglieder sowie parteilosen Sympathisant*innen der Partei Die Linke, die sich für den Schutz jüdischen Lebens, die Bekämpfung von Antisemitismus und Antizionismus, die Förderung der Erinnerungskultur sowie die Solidarität mit Israel als Schutzraum jüdischen Lebens politisch einsetzen.

Sie bringt sich auf allen Ebenen der Partei unmittelbar in den politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess ein. Sie erarbeitet eigne Positionen, führt Veranstaltungen und Bildungsformate durch, tritt innerhalb und außerhalb der Partei für Aufklärung ein und berät Mitglieder und Funktionsträger*innen der Partei zu den genannten Themenfeldern.

Sie ordnet sich der Bundesarbeitsgemeinschaft Shalom zu und ist deren niedersächsische Landesarbeitsgemeinschaft.

Veröffentlichungen

Koordinierungskreis
LAG GjA

Zur Beteiligung der Partei Die Linke am Bündnis „Zusammen für Gaza“. Weiterlesen

Terroristisches „Soli-Kiez-Event“ mit Hamas-Unterstützern und Bastelworkshop – rote Linie wurde weit überschritten! Weiterlesen

Fünf Landesarbeitsgemeinschaften (LAG) der Partei Die Linke haben eine gemeinsame Stellungnahme an den Bundesvorstand der Partei Die Linke geschickt. Sie kritisieren die jüngsten „pro-palästinensischen“ Protestkundgebungen und fordern eine deutliche Abgrenzung zu antisemitischen Äußerungen und… Weiterlesen

Warum braucht es eine Landesarbeitsgemeinschaft Gegen jeden Antisemitismus?

Als linke LAG Gegen jeden Antisemitismus beobachten wir besorgt die Entwicklung und den Einfluss radikalisierter, dogmatischer Gruppierungen innerhalb der politischen Linken, die auch in die Partei Die Linke hineinwirken. Sie berufen sich auf antiimperialistische und antizionistische Traditionen, agieren oft emotionalisierend, aggressiv und exkludierend – und werfen zentrale linke Grundsätze wie Solidarität, Aufklärung und Menschenrechte über Bord.

Diese autoritären Gruppen, deren Präsenz sich auch in Niedersachsen seit dem 7. Oktober 2023 massiv verstärkt, relativieren oder leugnen antisemitische Gewalt, verklären die Intifada als „Widerstand“ und hofieren autoritäre Regime und Akteur*innen, die offen zur Vernichtung Israels aufrufen. Sie setzen auf einfache Feindbilder und bedienen dabei immer wieder antisemitische Narrative – etwa, wenn Jüd*innen kollektiv für die Politik der israelischen Regierung verantwortlich gemacht oder jüdische und antisemitismuskritische Stimmen in linken Räumen systematisch ausgegrenzt werden.

Für uns ist klar:

  • Kritik an den Entscheidungen und Handlungen der Regierung Israels ist berechtigt und legitim. Der Schutz jüdischen Lebens und das Existenzrecht Israels sind jedoch unverhandelbar und dürfen nicht in Frage gestellt werden.

  • Die Intifada war und ist kein „legitimer Widerstand“, sondern ein blutiger Aufstand, in dem gezielt Zivilist*innen – vor allem Jüd*innen – ermordet wurden. Wer ihre Symbolik verherrlicht, verlässt den Boden einer emanzipatorischen, menschenrechtsbasierten politischen Ausrichtung. Wer „Intifada“ ruft, meint nicht Frieden, sondern Terror. Wer „From the river to the sea“ ruft, meint nicht Befreiung, sondern Auslöschung des Staates Israel. Die Linke darf solchen Parolen keinen Raum geben – weder auf Parteitagen noch auf der Straße.

  • Die politische Linke steht in der historischen Verantwortung, aus ihrer eigenen Geschichte zu lernen – auch aus der Verstrickung in antisemitische Denkmuster. Antisemitismus ist kein Nebenthema, sondern eine strukturelle Gefahr – auch und gerade, wenn er sich als Kritik an Staat und Macht tarnt. Wer „Antizionismus“ als Deckmantel für Judenhass benutzt, dem muss widersprochen werden und der hat in der Linken nichts verloren.

  • Wir fordern eine klare, programmatische Abgrenzung der Partei von antisemitischen, autoritären und verschwörungsideologischen Gruppen. Ihre Einflussnahme – sei es auf Parteitagen, in Arbeitskreisen oder Bündnissen – untergräbt nicht nur das Vertrauen in Die Linke, sondern gefährdet realpolitische Bündnisse gegen Antisemitismus und gegen rechts.

  • Antisemitismus ist keine Meinung. Er ist ein Angriff auf die Grundlagen jeder demokratischen und humanistischen Gesellschaft. Wir stehen ein für eine solidarische, pluralistische Linke, in der Jüd*innen sich sicher fühlen können. Eine Linke, die für Frieden, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung eintritt – ohne doppelte Standards, ohne Terrorverharmlosung, ohne antisemitische Feindbilder.

Unsere Postion zum Chemnitzer Parteitagsbeschluss zur „Jerusalem Declaration on Antisemitism“ (JDA)

Als Landesarbeitsgemeinschaft Gegen jeden Antisemitismus nehmen wir den Beschluss des Chemnitzer Parteitags, die „Jerusalem Declaration on Antisemitism“ (JDA) als Arbeitsgrundlage für die politische Leitlinie der Partei festzulegen, mit äußerstem Unbehagen zur Kenntnis.

Einen Parteitagsbeschluss zu fällen, ohne innerparteiliche Debatte und ohne Einbeziehung der Betroffenen-Perspektive in die inhaltliche Klärung – d.h. ohne gleichberechtigte Debatte mit von Antisemitismus Betroffenen, Wissenschaftler*innen und Interessensgruppen – halten wir für weit verfehlt.

Die JDA gilt innerhalb vieler jüdischer Organisationen und Verbände sowie unter Antisemitismusforschenden als unzureichend. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung über die Definition von Antisemitismus kann nicht mit einem Parteitagsbeschluss entschieden werden. Dies ist Aufgabe der Antisemitismusforschung.

Ungenaue Abwägungen und Aussagen zum Israel-/Palästina-Konflikt entstehen durch fehlende Einsichten in Wechselwirkungen und Interdependenzen zwischen Israel und Palästina als miteinander verbundene, gleichwertige Subjekte. Diese unklare Situation zu vereinnahmen, um einseitige politische Inhalte per Parteitagsbeschluss durchzusetzen, halten wir für fehlgeleitete, aggressive Machtpolitik weit ab von der Verteidigung humanitärer Anliegen.

Die JDA behauptet, Antisemitismus besser definieren zu können als die international breit anerkannte IHRA-Arbeitsdefinition. Tatsächlich aber verschiebt sie die Debatte und öffnet Tür und Tor für die Normalisierung antisemitischer Denkweisen unter dem Deckmantel legitimer „Israelkritik“. Für Israel werden dabei gezielt andere Maßstäbe gesetzt als für anderen Staaten. Absurd wird es, wenn Forderungen nach der Zerstörung Israels unter Leitlinie 12 der JDA als antinationaler Utopismus legitimiert werden oder als Forderung, die sich gegen Israel als Kolonialmacht wende und nicht gegen Israel als jüdischen Staat. Noch absurder wird es, wenn durch Leitlinie 15 der JDA fast jede antisemitische Äußerung in eine „unvernünftige“ Äußerung umgedeutet und somit legitimiert werden kann. Ist ein Vergleich Israels mit dem NS-Staat eine „unvernünftige“ Äußerung? 

Die JDA scheitert dort, wo zur Lösung des Konfliktes nicht ein Kompromiss, sondern die Auflösung Israels gefordert und diese Forderung nicht automatisch als Antisemitismus verstanden wird. Dabei ist eine solche Forderung nicht nur unrealistisch, sondern wird genau so wenig zu Frieden führen wie eine Forderung nach „jüdischer Sicherheit“, die das Recht auf Selbstbestimmung der Palästinenser*innen ausklammert.

Palästinensischer Widerstand gegen Unterdrückung, der sich in ein brutales Massaker an Zivilist*innen, wie das von der Hamas verübte Massaker vom 7. Oktober 2023 ergießt, ist grundsätzlich als völkerrechtswidrig und menschenverachtend zu verurteilen und trägt zu einer massiven Verschärfung des Konfliktes bei.

Für uns ist klar:

  • Der Parteitagsbeschluss zur JDA übernimmt unkritisch zentrale Aussagen der JDA – etwa, dass der Vorwurf des Antisemitismus zu oft benutzt werde, um legitime Kritik an Israel zu unterbinden. Diese Formulierung suggeriert, jüdische Organisationen und Einzelpersonen würden den Antisemitismusvorwurf strategisch missbrauchen. Das ist nicht nur falsch, sondern selbst Teil eines antisemitischen Narrativs. Eine progressive Linke darf sich nicht an Debatten beteiligen, die letztlich jene jüdischen Stimmen delegitimieren, die Antisemitismus erkennen und benennen.

  • Der Beschluss verkennt die politische Realität nach dem 7. Oktober 2023: Die zunehmende Verherrlichung von Gewalt gegen Jüd*innen – etwa durch „Intifada“-Rufe auf Demonstrationen – darf von unserer Partei nicht legitimiert werden.

  • Der Parteitagsbeschluss fügt langjährigen Bündnissen und Kooperationen der Partei Die Linke mit jüdischen und sich konsequent gegen Antisemitismus positionierenden Organisationen massiven Schaden zu.

  • Durch die Aufwertung der JDA wird israelbezogener Antisemitismus verharmlost, anstatt ihn als das zu benennen, was er ist: ein Ausdruck von Menschenverachtung, der unsere Demokratie in ihren Grundsätzen gefährdet.

Antisemitismus bekämpfen heißt: Kein Pakt mit der Hamas. Keine Illusionen über den Iran.

Die Demonstrationen unter dem Banner „Free Gaza“ in Deutschland richten sich zurecht gegen zivile Katastrophen und Menschenrechtsverletzungen. Nicht jede pro-palästinensische Demonstration ist automatisch gewalttätig. Doch viele dieser Proteste tragen inzwischen offen reaktionäre, queerfeindliche, antisemitische oder islamistische Züge – oft stillschweigend geduldet oder gar aktiv unterstützt von Teilen der politischen Linken.

Wer den Antisemitismus unserer Zeit ernsthaft bekämpfen will, muss seine realen Träger benennen: Dazu zählen neben extrem rechten Netzwerken auch islamistische Akteure wie die Hamas sowie autoritäre Regime wie der Iran, die offen zur Vernichtung Israels aufrufen – und das nicht nur rhetorisch, sondern mit Geld, Waffen und politischer Strategie.

Wer glaubwürdig gegen Antisemitismus eintritt, darf sich nicht auf halbe Abgrenzungen zurückziehen. Es reicht nicht, sich nur gegen rechten Antisemitismus zu positionieren, während man beim islamistischen oder staatlich organisierten Judenhass wegschaut oder diesen unter dem Deckmantel „internationaler Solidarität“ relativiert.

Die Hamas ist keine Widerstandsbewegung, sondern eine antisemitische Terrororganisation, die in ihrer Charta die Tötung von Jüd*innen propagiert und gezielt Zivilist*innen ins Visier nimmt. Wer sie verteidigt oder durch Solidarisierung verharmlost, macht sich mitschuldig an der Normalisierung tödlichen Judenhasses.

Der Iranische Staat ist ein repressives Regime, das weltweit antisemitische Hetze verbreitet, Milizen wie die Hisbollah aufrüstet und massiv daran arbeitet, Israel militärisch zu bedrohen. Die Verharmlosung dieses Regimes im Namen eines antiimperialistischen Schemas ist politische Blindheit – auf Kosten jüdischer Sicherheit.

Ein emanzipatorischer Antiimperialismus darf niemals zur ideologischen Rechtfertigung für autoritäre, antisemitische oder reaktionäre Kräfte verkommen. Und doch erleben wir genau das aktuell immer wieder,

  • wenn aus „Solidarität mit dem Widerstand“ blinde Parteinahme für Akteure wie die Hamas, die Hisbollah oder den iranischen Staat wird;

  • wenn das Existenzrecht Israels zur „imperialistischen Besatzung“ uminterpretiert wird;

  • wenn antisemitische Terrorakte als „Konflikt“ relativiert oder gar als legitimer Ausdruck antiwestlicher Kämpfe gefeiert werden.

Wir brauchen eine Linke, die nicht reflexhaft gegen den Westen, sondern für Solidarität, Menschenrechte und gegen Antisemitismus eintritt.

Wer für Palästinenser*innen eintritt, darf nicht für die Hamas marschieren.

Wer gegen westliche Doppelmoral protestiert, muss auch iranische Unterdrückung und antisemitische Hetze benennen.

In den von der Hamas und von dem iranischen Regime kontrollierten Gebieten herrschen politische Verhältnisse, in denen Menschenrechte systematisch unterdrückt werden. Queere Menschen, säkulare Stimmen, Frauen, Journalist*innen, Oppositionelle – sie alle leben dort in Angst vor Überwachung, Folter, Gefängnis oder Tod. Homosexualität steht unter Strafe, trans Menschen sind besonders gefährdet, es gibt keine Meinungsfreiheit.

Gleichzeitig erleben wir in Deutschland, wie auf pro-palästinensischen Demonstrationen und in vermeintlich emanzipatorischen Zusammenhängen queere Jüd*innen ausgegrenzt oder angefeindet werden und progressive, feministische oder queere Stimmen niedergebrüllt werden, wenn sie sich mit Israel oder gegen Antisemitismus positionieren.

Eine laute Solidarität mit progressiven Kräften in Gaza und Israel sucht man in linken Milieus beinahe vergebens. Stattdessen marschieren diejenigen, die vor kurzem noch mit der Forderung „Jin-Jiyan-Azadi – Frau-Leben-Freiheit“ auf die Straße gingen, um sich mit dem Freiheitskampf der iranischen Bevölkerung gegen die Islamische Republik zu solidarisieren, nun Seite an Seite mit den Schergen der islamischen Republik im Hass gegen Israel. „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ war nie ein tragfähiges Prinzip, ist keine links-emanzipatorische Sicht auf die Welt und bringt keine Befreiung.

Die Postkolonialismus-Debatte

Die postkoloniale Debatte zu Israel presst den Nahostkonflikt in ein simplifiziertes Raster aus „Unterdrücker“ und „Unterdrückten“ – in dem Jüd*innen systematisch auf der Seite der Macht verortet werden. Damit wird ein uraltes antisemitisches Stereotyp reproduziert: der allmächtige Jude, der vermeintlich im Hintergrund die Strippen zieht und über koloniale Strukturen herrscht.

Die Debatte über den Nahostkonflikt ist voller Begriffe, die historische und politische Kontexte ausblenden – oder gezielt antisemitisch aufladen. Einer dieser Begriffe ist „Siedlerzionismus“. Was ursprünglich als analytischer Begriff zur berechtigten Kritik an der israelischen Besatzungspolitik gedacht war, wird zunehmend als pauschale Kampfansage an alle jüdischen Israelis verwendet – unabhängig davon, ob sie tatsächlich in umstrittenen Gebieten leben.

Scharfe Kritik an den massiven Ungleichheiten, prekären Bedingungen mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit, täglicher Kontrolle durch Checkpoints und Militärrecht für Palästinenser*innen und wiederkehrender Gewalt, Konfrontationen, Menschenrechtsverletzungen und systematischen Entrechtungen im Westjordanland ist berechtigt.

Als linke Antifaschist*innen ist unsere Position eindeutig:

  • Die Besatzung muss beendet werden. Die Siedlungs- und Militärpolitik Israels im Westjordanland ist mit einer demokratischen, menschenrechtsbasierten Ordnung unvereinbar.

  • Palästinensische Selbstbestimmung ist legitim – ebenso wie der Wunsch nach Sicherheit und Freiheit. Diese Rechte stehen nicht im Widerspruch zu jüdischer Selbstbestimmung – sie sind Bedingung für eine gerechte Lösung.

Gleichzeitig lehnen wir jede Form von Antisemitismus in der Kritik an der Besatzung ab: Wer Israel dämonisiert, Jüd*innen kollektiv verantwortlich macht oder die Existenz Israels infrage stellt, verlässt den Boden linker Politik.

Wer den Begriff „Siedler“ zur Chiffre für „die Juden“ macht, reproduziert antisemitische Bilder. Das Problem beginnt dort, wo postkoloniale Perspektiven:

  • den jüdischen Staat pauschal als „kolonialen Siedlerstaat“ framen,

  • Zionismus als illegitimes Projekt „weißer Kolonisator*innen“ diskreditieren,

  • jüdische Selbstbestimmung als „imperiale Machtprojektion des Westens“ entwerten,

  • das Existenzrecht Israels relativieren oder als „rassistisches Konstrukt“ darstellen.

Solche Positionen blenden die Geschichte jüdischer Verfolgung und Entrechtung, die Shoah, die arabischen Pogrome im 20. Jahrhundert sowie die Erfahrungen von Juden aus Nordafrika, dem Jemen, dem Iran oder dem Irak vollständig aus. Sie negieren, dass Zionismus auch eine antikoloniale, antirassistische und antieuropäische Bewegung war, die oft sozialistisch geprägt war – geboren aus dem existenziellen Wunsch nach Schutz, Selbstbestimmung und Überleben.

Ein weiteres Problem ist, dass Antisemitismus im postkolonialen Diskurs häufig als „sekundär“ gegenüber Rassismus verstanden wird, als bloße Spielart weißer Vorherrschaft – und nicht als eigenständige, tief verwurzelte Form von Hass, die historisch wie strukturell anders funktioniert. Die historische Singularität der Shoah, die sich durch ihre industrialisierte Vernichtungslogik nicht auf ökonomische Ausbeutung, sondern auf vollständige Eliminierung eines Volkes richtete, wird infrage gestellt oder relativiert.

Der im postkolonialen Diskurs vorgebrachte Vorwurf lautet: Der Holocaust habe durch seine zentrale Rolle in westlichen Erinnerungskulturen andere koloniale Verbrechen unsichtbar gemacht – etwa den transatlantischen Sklavenhandel, den Genozid in Namibia oder koloniale Massaker in Asien und Afrika.

Dabei ist die Shoah keine „Narration unter vielen“ – sondern ein realer, historischer Zivilisationsbruch, der nicht verhandelbar ist. Wer ihre Singularität bestreitet, öffnet die Tür zur Verharmlosung antisemitischer Gewalt.

Problematisch daran ist:

  • Die Gleichsetzung unterschiedlicher Gewaltverhältnisse: Die Shoah wird mit kolonialer Gewalt „auf eine Stufe“ gestellt – ohne die unterschiedlichen Ideologien, Ziele und Mechanismen dieser Gewaltregime zu berücksichtigen. Das läuft auf eine Relativierung des Holocaust hinaus.

  • Die Hierarchisierung von Opfern: In Teilen des Diskurses entsteht der Eindruck, jüdisches Leid sei „überrepräsentiert“, während das Leid rassifizierter oder kolonialisierter Menschen zu wenig gewürdigt werde. Diese Gegenüberstellung konstruiert einen Opferwettbewerb, der emanzipatorische Politik untergräbt.

  • Die Dekonstruktion der Shoah als „westliches Erinnerungsprojekt“: Einige postkoloniale Stimmen bezeichnen die Erinnerung an den Holocaust als „Instrument weißer Dominanz“ oder „zivilisatorische Selbstverklärung“ Europas – und ignorieren dabei, dass jüdische Menschen jahrzehntelang für das Gedenken kämpfen mussten, und das in einem Nachkriegs-System, in dem nach der Befreiung ehemalige NSDAP-Mitglieder wieder leitende Funktionen einnehmen konnten und nationalsozialistisches Gedankengut weiterhin in der Gesellschaft verbreitet war.

  • Die Instrumentalisierung gegen Israel: Die Shoah wird gelegentlich in zynischer Weise in Beziehung zur israelischen Politik gesetzt – etwa durch rhetorische Fragen wie: „Was bringt Erinnerung, wenn die Opfer selbst zu Tätern werden?“ Das ist nicht nur historisch und moralisch unhaltbar, sondern bedient tiefsitzende antisemitische Muster: Schuldumkehr, Täter-Opfer-Umkehr, und die Leugnung jüdischer Schutzbedürfnisse nach 1945.

  • Die performative Inszenierung: Eine affektive Empörung, die sich teils in konkreter Gewalt gegen jüdische Menschen und Einrichtungen, Verbände und Gedenkstätten niederschlägt, bestärkt antisemitische Narrative und Haltungen. Dass man sich damit ausgerechnet in Deutschland von der antifaschistischen Losung des „nie wieder“ abkehrt, schadet dem Antifaschismus, dem man sich doch eigentlich entschlossen verschrieben hatte, auf ganzer Linie und stärkt den extrem rechten Rand.

Zugleich gilt: Die Anerkennung der Shoah muss nicht auf Kosten anderer Gewaltgeschichten erfolgen. Eine politische Linke muss in der Lage sein, koloniale Verbrechen aufzuarbeiten, rassistische Strukturen zu benennen – und zugleich Antisemitismus und die Shoah als einzigartige Realität ernst zu nehmen.

Was kann die LAG Gegen jeden Antisemitismus tun?

Über die Jahre und Jahrzehnte sind wiederholt Mitglieder aus Protest gegen latenten oder expliziten Antisemitismus und das Ausbleiben einer klaren Haltung der Parteistrukturen und Funktionär*innen aus der Partei ausgetreten. Mit der Abspaltung des BSW und der Euphorie über den ungeahnten Mitgliederzuwachs im Kontext der Bundestagswahl 2025 schien es so, als habe die Partei eine progressive Wende vollzogen. Das immer aggressivere Auftreten autoritärer Minderheiten belehrt uns eines Besseren, auch wenn dies zweifelsohne kein exklusives Phänomen unserer Partei ist.

Wir sind davon überzeugt, dass es eine progressive Partei links der SPD braucht, dass unzählige Aktive unglaublich wichtige und wertvolle politische Arbeit leisten und dieser Partei eine maßgebliche Rolle im Kampf gegen den Faschismus zukommt. Der Mitgliederzuwachs ist darum besonders wertvoll und vielerorts wurden und werden neue Strukturen aufgebaut, neue Mitglieder eingebunden und politisiert. In der sich aufheizenden emotionalisierten und moralisierenden Auseinandersetzung um den Nahostkonflikt wollen wir sachliche Angebote schaffen, Veranstaltungen, Vorträge und Diskussionen ermöglichen, die eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem komplexen Thema erlauben, dabei aber entschlossen gegen Antisemitismus einstehen. Ein solidarischer Umgang sollte in einer linken Partei selbstverständlich sein, selbst wenn auch wir manchmal an unseren eigenen Idealen scheitern. Wir verstehen emanzipatorische Kämpfe als holistisch und inklusiv, nicht als selektiv und exklusiv.

Vor dem Hintergrund des zunehmenden Antisemitismus in Deutschland, halten wir es für notwendig, Antisemitismus in der Linken öffentlich zu thematisieren. Viele Menschen haben keine konkrete Vorstellung von Antisemitismus und seinen Funktionsweisen, sind aber gleichzeitig davon überzeugt, selbst nicht antisemitisch zu sein oder keinerlei antisemitische Denkmuster verinnerlicht zu haben. Dabei ist es für viele Linke völlig logisch, dass wir rassistische oder sexistische Vorurteile internalisiert haben, weil wir in einer Gesellschaft sozialisiert wurden, in der diese Diskriminierungen noch längst nicht abgeschafft sind. Hier sind Linke wesentlich eher dazu bereit, ihre Denkmuster und Verhaltensweisen zu reflektieren. Zurecht kämpft unsere Partei gegen die Diskriminierung von BIPoCs und Menschen der LGBTQIA+ Gemeinschaft. Beim Thema Antisemitismus hingegen gibt es eine große Verweigerungs- bzw. Abwehrhaltung. Wir hoffen, dass wir zur Aufklärung über das Thema beitragen und innerparteiliche Debatten anstoßen können.

Gerade in Deutschland kommt uns als Linke eine besondere Verantwortung zu, immer und überall dafür einzustehen, dass Faschismus, Menschenfeindlichkeit und Holocaust nie wieder geschehen. Wir verstehen es als tiefe antifaschistische Verpflichtung, für den Schutz jüdischen Lebens und jüdischer Kultur in Deutschland einzutreten und Antisemitismus zu widersprechen und zu bekämpfen.

In mehren Bundesländern wurde die Herausforderung, vor der wir stehen, erkannt und es befinden sich Landesarbeitsgemeinschaften, die sich mit Antisemitismus auseinandersetzen in Gründung. Aktuell gründet sich eine LAG Shalom in Sachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen. Unsere niedersächsische LAG Gegen jeden Antisemitismus ist die vierte Landesarbeitsgemeinschaft, die sich der Bundesarbeitsgemeinschaft BAG Shalom (in Gründung; Stand Juli 2025) zuordnet und die sich zum Ziel gesetzt hat, inmitten gesellschaftlicher Herausforderungen und notwendiger innerparteilicher Debatten einen wichtigen Beitrag zu leisten und sich für den Schutz jüdischen Lebens, die Bekämpfung von Antisemitismus und Antizionismus, die Förderung der Erinnerungskultur sowie die Solidarität mit Israel als Schutzraum jüdischen Lebens einzusetzen.

 

Shalom

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Hiermit erkläre ich meine Mitwirkung in der LAG Gegen jeden Antisemitismus. Diese Mitwirkungserklärung gilt auch für die Bundesarbeitsgemeinschaft Shalom. Ich möchte außerdem per E-Mail über Veranstaltungen, Stellungnahmen und weiteres informiert werden. Meine freiwillige Mitwirkung ist unbefristet. Sollte ich den Zusammenschluss verlassen, informiere ich die Verantwortlichen rechtzeitig.